Pressetext [Tief]

Vince Bahrdt setzte als Klavier spielender Part des Duos Orange Blue hartnäckige Ohrwürmer wie das von ihm komponierte „She’s got that light“ oder „Powered by emotion“ in die Welt, er steuerte Titeltracks zu Walt-Disney- („Dinosaurier”) und Hollywood-Filmen („America’s Sweethearts”) bei, als kreativer Geist wirkt er an vielen Stellen hinter den Kulissen der Szene. Unter anderem lieferte Vince drei von ihm komponierte, aufgenommene und co-produzierte Songs für Udo Lindenbergs triumphales No.-1-Comeback „Stark wie zwei“, darunter „Wenn du durchhängst“, die erste Single des Albums, und das eindrucksvolle „Woddy Woddy Wodka“. Vince ist umtriebig, gefragt und immer in Arbeit. Jemand, den es schon früh morgens nicht mehr im Bett hält, wenn die erste Idee kommt, der auch sonntagabends das Finale des Spielfilms auf dem Sofa zugunsten der musikalischen Eingebung sausen lässt. Das Tonstudio ruft, Tag und Nacht. Und selbst 24/7 ist oft nicht genug: „Meine Arbeitsweise macht es sicher nicht leicht, mit mir zusammenzuleben, das ist mir bewusst. Aber ich liebe das, was ich tue. Es erfüllt mich.”

Begonnen hat diese Liebe schon in frühester Kindheit, krabbelnd auf dem Konzertflügel im großmütterlichen Wohnzimmer: „Es ging nicht um Musik im Allgemeinen – ich träumte davon, eben dieses Instrument spielen zu können. Gitarre zum Beispiel hat mich nie interessiert. Aber Hammerschlag auf Saite, das löst einfach etwas in mir aus.” Vince’ Wunsch wird mit Klavierunterricht erfüllt. In der Pubertät erlahmt dann das Interesse an den klassischen Übungen und Partituren, nicht aber die Lust am Klavier. Vince macht autodidaktisch weiter, lernt, aus den althergebrachten Formen auszubrechen und seine eigenen Ideen zu vertonen. Später kommt noch das Schlagzeug als Ausdrucksmittel hinzu. Er setzt alles auf die Karte Musik, studiert Kultur- und Musikwissenschaft. Bis er das Studium schließlich kurz vor dem Zielstrich abbricht – die Wirklichkeit hat die Theorie mittlerweile überholt, er ist mit Orange Blue längst im Berufsleben angekommen. Mit Erfolg.

Doch für Vince bemisst sich Erfolg nicht allein in branchenüblichen Kennzahlen. Single-Airplay, verkaufte Alben oder Awards sind keine ausreichenden Kriterien für jemanden, der einen großen Teil seiner Persönlichkeit in seine Musik investiert. Bei nahezu allen Projekten muss sehr viel Rücksicht genommen werden, auf Marktgegebenheiten, Befindlichkeiten, Mechanismen der Branche. Wirkliche Selbstentfaltung, das geht nur solo. Und zwar völlig solo: ohne Plattenfirma, Produzent oder Management. Die Konsequenz dieser Erkenntnis ist die Gründung des eigenen Labels „Murdersound”, auf dem das Album „Mordballaden” erscheint. „Alles allein zu verantworten heißt natürlich auch, für Fehler allein gerade stehen zu müssen. Dafür gibt es aber auch niemanden, über den man sich ärgern könnte, außer einem selbst – und das ist ein großartiges Gefühl!” Vince gibt nichts aus der Hand, selbst Produktion und Schnitt der Musikvideos erfolgen in Eigenarbeit.

Neben der scheinbar allumfassenden Musik bewahrt sich Vince dennoch Platz für andere Interessen: Literatur, Film, vor allem Sport. Er kämpft Judo in der zweiten Bundesliga bis schließlich die Verletzungsgefahr für die Hände den Sport auf diesem Niveau verbietet. Es bleiben Fußball, Tennis, Basketball, Badminton, Tischtennis, Laufen – eigentlich alles, nur kein Handball. Trotz, oder vielleicht gerade wegen seines Vaters, Fritz Bahrdt, dem ehemaligen Handball-Nationalspieler und mehrfachen WM-Teilnehmer für Deutschland.

Ebenfalls geblieben ist das Lampenfieber. So stark, dass es hin und wieder zum Problem wird: „Ich bekomme bei Live-Auftritten oft einen regelrechten Tatterich. Man wird mich in einer Talkshow wohl niemals ein Glas Wasser zum Mund führen sehen, das Risiko ist einfach zu groß.” Dazu kommt die Angst vor einem Blackout auf der Bühne: „Mir ist das einmal bei „She’s got that light“ passiert, open air auf dem randvollen Hamburger Rathausmarkt: meine eigene Komposition, tausende Male gespielt – und plötzlich fiel mir der Chorus nicht mehr ein.” Mitten im Song steigt Vince auf einen Boogie um – besser etwas Überraschendes als völlig daneben. „Volkan und die Band haben geguckt wie Autos, aber immerhin hat das Publikum gejohlt.”
 Vince ist Perfektionist, aber nicht perfekt. Kein Grund, irgendetwas anders zu machen oder gar ein Blatt vor den Mund zu nehmen: „Ich habe kein Problem damit, auch mal den holprigen, unpopulären Weg zu gehen. Man sollte zu sich selbst stehen, zu seinen Fehlern, Macken, Leidenschaften.”

Das Album „Tief“

Treffender als mit dem Begriff „Tief” lässt es sich kaum beschreiben: Das gesamte Album pulsiert nur so vor urwüchsiger, intensiver Energie. Dramatische Streicher, harte Beats und machtvolle Klavierakkorde, zugleich aber auch filigranste, nuancenreiche Details bilden das Bett für Vince’ moderne Poesie, für seine Lust am Wortspiel und an lyrischen Vieldeutigkeiten, für seine eindringliche Stimme.
 Das Titelstück, zugleich auch die erste Single, liefert so etwas wie die Quintessenz des gesamten Werks. Und, gemeinsam mit der Ballade „Du fehlst“, zugleich den erneuten Beweis für Vince’ Talent, hitverdächtige Songs zu schreiben, die nicht in Beliebigkeit ertrinken.

Ein wichtiges Element sind auch die zahlreichen und in vieler Hinsicht klangvollen Duettpartner. Volkan Baydar, die unverkennbare Stimme von ‚Orange Blue‘, ist auf „Der Spieler“ zu hören: „Bei allem, was wir erlebt haben, war es mir ein inneres Bedürfnis, einen Song mit Volkan zu machen – abgesehen davon, dass er ein absoluter Ausnahmesänger ist.”

In „Vergebung“ entwickelt sich ein gesungenes Zwiegespräch mit Cosma Shiva Hagen, eine autobiografische Betrachtung über Dinge, die das Musikerleben mit sich bringt – und Dinge, die dabei auf der Strecke bleiben.
Nicht aus irgendeiner Religiosität, sondern aus Vince’ Hang zur Lyrik entsprungen ist „Gebet“, ein vertontes, von Ben Becker interpretiertes Gedicht. „Ich mag Typen, die dieses gewisse Etwas haben. Und Ben Becker ist ein phänomenaler Typ. Wenn er spricht, ist es mehr als nur eine Stimme – es ist ein Erlebnis.”
Ein spektakuläres, packendes Hör-Erlebnis ist auch „Die Habsucht“, ein Duett mit Udo Lindenberg. „Udo hatte den Song einmal bei mir im Wagen gehört und war begeistert. Irgendwann rief er an, nachts um halb eins: ,Biste am Start?’ Fünf Minuten später war er da. Zehn Minuten später war die Aufnahme im Kasten.”

Die sicher ungewöhnlichste Zusammenarbeit auf „Tief” ist die mit Siegfried Lenz im Stück „Von Ludmilla“, in dem der Literat Fragmente aus seiner gleichnamigen Kurzgeschichte liest. „Diese Geschichte begleitet mich schon sehr lange. Ich wollte sie musikalisch umsetzen, ursprünglich ganz ohne den Hintergedanken, Siegfried Lenz persönlich dafür aufzunehmen.” Aber man kennt sich von Ferne, aus dem Familienkreis, und fragen kostet ja nichts. Lenz willigte sofort ein.

Die prominente Gästeschar auf „Tief” war nicht geplant, sie hat sich ergeben. Aus freien Stücken, aus Lust am Projekt. Weil es nicht einfach irgendeine Produktion ist. „,Tief’ ist echt. Ich hasse nichts so sehr wie Belanglosigkeit, auch hinter dem Tarnmantel aufgesetzter Tiefsinnigkeit. Es muss wahrhaftig etwas ausdrücken, das ist mein Lebensglück mit der Musik.”

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